(Von Josefine Dölling, Q2)
Unterricht vor Originalen: Exkursion zum Kunstpalast in Düsseldorf “Christo und Jeanne-Claude. Paris. New York. Grenzenlos” Christo und Jeanne-Claude – von den Anfängen bis zu ihren Großprojekten. Die Ausstellung im Kunstpalast in Düsseldorf stellt die Entwicklung des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude ab Mitte der 1950er Jahre bis zu Christos Tod im Mai 2020 nach.
Die Führung im Kunstpalast, an der die Q2-Kunstkurse von Frau Seeburg am 9.11.2022 teilnahmen, erfolgte durch Kunsthistorikerin Melanie Seidel. Nach ihrer Meinung zeigt die Ausstellung die Besonderheit der Frühwerke in Kontrast mit anderen Künstlern, die Christo (unter anderem) in Paris kennenlernte. Auch präsentiert wurden daher Gemälde und Objekte von namenhaften Künstlern wie z.B. Arman, Niki de Saint Phalle, Jean Dubuffet, Lucio Fontana und Yves Klein. Aus dem vielfältigen Bezugsfeld der Avantgarde im Paris der 1950er Jahre wird deutlich, wie die spezifische Werkentwicklung von Christo und Jeanne-Claude verlief und was ihre künstlerische Position im direkten Kontrast zu anderen Künstlern ihrer Zeit ausmacht.
Das ist die letzte Ausstellung, der Christo kurz vor seinem Tod noch zustimmte, bestehend aus rund 70 Werken der Sammlung von Ingrid und Thomas Jochheim, die einen der weltweit umfangreichsten Bestände der Kunst von Christo und Jeanne-Claude darstellt. Hierzu zählen zahlreiche Objekte sowie großformatige Zeichnungen, grafische Arbeiten und Fotografien.
Bekannt sind die beiden Künstler für ihre Großprojekte, wie z. B. die Verhüllung des Berliner Reichstagsgebäudes. In den Anfängen seiner Karriere malte Christo jedoch zahlreiche Portraits, um sich zu finanzieren und um in seiner Freizeit mit anderen Materialien und Techniken zu experimentieren. Dies bezeichnete er selbst als „Prostitution“.
“Unsere Kunst dient keinem Zweck, sie gehorcht keiner Moral, sie ist absolut frei.“ (Christo)
Die künstlerische Freiheit der beiden ist ein Grundbaustein und zieht sich durch ihren gesamten Werdegang. Sie interpretieren den Begriff „Freiheit“ auf eine ganz individuelle Weise. Dies erkennt man zum einen an der Vielzahl an Materialien, die sie in ihren Werken verwendeten, wie z.B. 1960 in “Krater”, mittels Zufallsprinzips und Haushaltsgegenständen z.B. Farbdosen, Sand, Farbe, Holz, Eierkartons oder Sackleinen, als auch an der Tatsache, dass sie zeitlebens keine Sponsorengelder annahmen. Dies hätte ihre Unbefangenheit eingeschränkt oder sie infrage gestellt. Um ihre teilweise sehr teuren Großprojekte zu realisieren, verkauften sie Vorzeichnungen, Projektskizzen und Objekte, die der reinen Selbstfinanzierung dienten. Ein bekanntes Beispiel ist die Serie „Store Fronts“ (1964), welche in New York entstand und die auch einen Teil der Ausstellung einnimmt. Hier verhüllten sie eine Reihe von Fensterfronten in Greenwich Village – eine Art Vorschau auf ihre späteren Großprojekte der Verhüllung. Generell ist es jedoch eine Besonderheit, dass die gesamten Skizzen und Pläne nur im Vorhinein angefertigt wurden und nie im Nachhinein, wenn das Projekt fertiggestellt war.
In der Führung wurde durch Zitate, wie das vorherige, an den Wänden deutlich gemacht, welche Grundprinzipien die beiden Künstler leiteten.
„Unsere Projekte können nicht bleiben oder besessen werden, denn Freiheit ist der Feind von Besitz und Besitz ist gleich Dauer.”
Das Zitat verweist auf die jeweiligen kurzen Zeiträume, in denen die Projekte für Interessierte oder Touristen zugänglich waren, dies war meist nur ein 1 – 2 Wochen der Fall.
Diese Ansichten in ihrer Kunst verteilten sie durch ihre Werke über die ganze Welt. Ein weiteres Doppelprojekt, welches uns präsentiert wurde, war „umbrellas“. Im Jahr 1991 wurden dabei „zeitgleich“ sowohl in den USA als auch in Japan Sonnenschirme aufgespannt. Wegen des existierenden Zeitunterschiedes schaffte es Christo, nacheinander an beiden Ausstellungseröffnungen teilzunehmen. Bei dem Projekt standen die ausgewählten Farben der Regenschirme – Blau und Gelb – für den Kontrast von Sonne, Wasser, Himmel und Strand und dabei symbolisch für den Inselstaat als auch die klimatische Unterschiede.
Die beiden Künstler lernten sich zu einer Zeit kennen, in der Christo selbst noch Portraits anfertigte und verkaufte, was er als Prostitution ansah (s. oben). Er wurde für Jeanne-Claudes Familie für die Anfertigung von Portrais engagiert. Christo signierte sie mit Christo Javacheff, seinem Bulgarischen Namen. Um sich von diesen Werken und ihrem Stil abzugrenzen, signierte er später nicht mehr mit seinem bulgarischen Nachnamen. Ein Werk aus der Ausstellung, das diesen Wandel repräsentiert, ist das Portrait „Comtesse Denise Viaris de Lesegno“ aus dem Jahr 1960.
Die Ausstellung wird eingeleitet mit einer Fotographie vom verhüllten Arc de Triomphe in Paris, welche eine gesamte Wand einnimmt. Auf Nachfrage, was dieses Kunstwerk bei uns Schülern assoziiert, kamen wir auf vielfältige Antworten, wie „ein Stück Vergänglichkeit“ aber auch „Erinnerung“. Als wichtige Sehenswürdigkeit hat das Kunstwerk Massen von Menschen angezogen und ist somit zu Kultur geworden. Die Projektidee stand seit den 1960er Jahren fest, wurde jedoch erst 2021, nach dem Tod Christos, durchgeführt.
Im Vergleich dazu steht ein Druck einer Skizze des verhüllten Triumphbogens. Auf die Frage, was auffalle, kamen wir zu folgendem Schluss: Die Verhüllung wirkt fast schon unscheinbar und ein dazugehöriger Stadtplan zeigt die Verortung des Kunstwerks und lässt die Entfernung zu anderen Gebäuden deutlicher wirken. Im Lauf der Zeit, bis zur eigentlichen Verhüllung, wurden die Pläne immer genauer. Und wo sie zu anfangs grob wirkten und den Triumphbogen wie ein Paket verschnürt erscheinen ließen, prägten später der erkennbare Bogen sowie auch feine Spannlinien die Skizzen.
Den Gedanken, aus Oberflächen mittels Arbeit mit Strukturen und Gestaltung etwas Neues zu erschaffen, übertrugen die Künstler auf Gegenstände und es folgten Projekte wie der ausgestellte „VW-Käfer“ oder die neu erschaffene Farbe „Client Blue“, welche, versetzt mit Lapislazuli, eine einzigartige und intensive Strahlkraft gewann.
Im Gesamten zeigt die Ausstellung deutlich die Abgrenzung von Christo und Jeanne-Claude zu Mitgliedern der Gruppe „nouveau réalisme“. Im Gegensatz zu Christo und Jeanne-Claude zeichnete diese Künstler aus, dass sie Rahmenbedingungen für ihre Werke schufen und die Kunstwerke als Gemälde zu erkennen waren. Christo hingegen fand die Werke zu ästhetisch und sah dies als Akt der Einschränkung der künstlerischen Freiheit.
Die Schüler*innen der Kunstkurse bedanken sich auch beim Förderverein, der mit der finanziellen Unterstützung die Fahrtkosten nach Düsseldorf im Wesentlichen übernommen hat. Der Unterricht vor Originalen, insbesondere mit einer kompetenten Führung, machen ungewöhnliche Kunst zugänglich und regen zum Nachdenken an.